Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 13
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Von Ochsenwochen und Bio-Knollenfestivals:

Wie die heimische Landwirtrschaft den Verbraucher neu entdeckt

Die Umwelt-, Verbraucher-, Tierschutz- und Dritte-Welt-Bewegung propagiert es schon seit Jahrzehnten: Landwirtschaftliche Produkte müssen auch nach ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien erzeugt werden. Das ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Handeln schafft nicht nur Erzeugnisse minderer Qualität – von der Hollandtomate, oft als der "vierte Aggregatzustand von Wasser" geschmäht, bis zum PSE-Fleisch, das in der Pfanne auf die Hälfte seines Volumens zusammenschrumpft – oder solche, deren Verzehr gesundheitliche Risiken birgt – BSE-Fleisch oder Salmonellen-Eier sollen als Beispiele genügen. Der Zwang zur Wirtschaftlichkeit vernichtet auch bäuerliche Existenzen, vorzugsweise die solcher Bauern, die bislang noch die Produkte erzeugen, die eigentlich alle Verbraucher am liebsten kaufen würden – nur kosten dürfen sie natürlich nichts. Heute sind es die Schweinepreise, die völlig im Keller sind, und den Höfen die Existenzgrundlage unter den Füßen wegziehen, morgen vielleicht die Getreidepreise. Wenn heute jährlich zwei Prozent der Höfe ihre Tore schließen und den Trecker einmotten, kann sich jeder selbst ausrechnen, wie lange es die bäuerliche Landwirtschaft in unserer Nähe noch geben wird.

Regionale Vermarktung als Chance entdecken

Aber es gibt auch positive Ansätze. Erzeuger, Verbraucher, Verbände und Behördenvertreter werden aktiv und suchen das Gespräch miteinander. Regionale Vermarktung als kooperativer Ansatz zur Lösung der Probleme im eigenen Umfeld, in der Region, ist die Leitidee, in diese Menschen ihre Hoffnung setzen.

"Gesunde Lebensmittel aus der Region für die Menschen in der Region" könnte das Motto für diese Aktivitäten lauten.

Die Region Oldenburg erlebte im Oktober/November zwei Aktionen, die unter dem Titel "Bio-Knollenfestival" und "Ochsenwochen 1998" heimische, regional erzeugte Produkte wieder stärker ins Bewußtsein der Verbraucher rücken wollten. Bei der Eröffnung der Bio-Kartoffeltage am 14. Oktober in der Oldenburger Beratungsstelle der VerbraucherZentrale am Julius-Mosen-Platz hatten sich Vertreter der 24 an der Aktion beteiligten Restaurants, Betriebsküchen, Mensen und anderen Gemeinschaftsverpflegungs-Einrichtungen sowie einiger Erzeugerbetriebe aus der Region rund um Oldenburg eingefunden, um den "vertikalen Verbund" zwischen Erzeugern und Verbrauchern zu dokumentieren.

Vernetzung ist Trumpf

Die Förderung einer auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit zwischen regionalen Erzeugern, Großküchen als Abnehmer und dem Handel ist nach den Worten von Gastgeberin Renate Beckmann, Ernährungsberaterin bei der VerbraucherZentrale, das erklärte Ziel dieser Aktionstage. Die enge Vernetzung ermögliche es den Abnehmern der landwirtschaflichen Erzeugnisse, einen Blick hinter die Kulissen der landwirtschaftlichen Produktion zu tun, während umgekehrt die Landfrauen und Landmänner die Erwartungen und Wünsche ihrer Abnehmer besser kennenlernten.

Die Mensa zeigt, wo´s lang geht

Einblicke in die Praxis lieferte u.a. Doris Senf vom Oldenburger Studentenwerk am Beispiel der Mensabetriebe. Neben positiven Aspekten der Bioprodukte wie besserer Geschmack, nachvollziehbare Herkunft und Umweltschutzargumenten (Schonung von Böden und Grundwasser und – bei kurzen Transportwegen – auch von Luft und Energieressourcen) nannte sie als Gegenargumente die oft höheren Kosten und Mehraufwendungen durch mehr Personal sowie den Aspekt der Mehrarbeit, der z.B. durch die Vielfalt der Lieferanten verursacht werde. Da aber der Umweltschutz eines der satzungsgemäßen Ziele des Studentenwerkes ist, hat sich seit 1983 eine über die Jahre eingespielte Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern entwickelt. Die Oldenburger Mensa verwendet zu über einem Drittel regional erzeugte Produkte aus ökologischem Anbau. Bei Kartoffeln liegt dieser Prozentsatz bei bis zu 80%. Organisatorische Umstellungen waren nötig, um dieses Ziel auch mit einem begrenzten Budget zu verwirklichen: Der Einkauf wird auf das jahreszeitlich schwankende Angebot ausgerichtet, Fleisch erscheint seltener auf dem Speiseplan als früher. So konnten im Einkaufsbereich Einsparungen erzielt werden.

Auf die Agenda 21 als Thema, "mit dem sich alle beschäftigen müssen", ging Gustav Wehen vom Dehoga-Verband ein. Er sprach sich dafür aus, mehr regionale Produkte ins Sortiment aufzunehmen.

Ochsen aus der Wesermarsch

Gustav Wehen war auch eine Woche später wieder dabei, als am 21. Oktober in der Markthalle in Rodenkirchen die "Ochsenwochen 1998" eröffnet wurden. Die Kosten für den Empfang hatte der Landvolkverband großzügig übernommen, und als Schirmherr und Hauptredner des Abends war Bundeslandwirtschaftsminister (da noch "in spe") Karl-Heinz Funke angekündigt. Die Idee hinter der Aktion "Ochsenwochen": Ein regionaltypisches Produkt, das Fleisch von Weideochsen aus der Wesermarsch, soll in Restaurants in der Region, in Oldenburg, Nordenham, Brake, usw. als saisonales Angebot auf den Tisch kommen, und auf diese Weise das Augenmerk des Verbrauchers auf ein Spitzenerzeugnis aus heimischer Landwirtschaft gelenkt werden.

Regionalität – auch der Umwelt zuliebe

Es geht dabei um nicht weniger als die Wiederbelebung regionaler Wirtschaftskreisläufe mit positiven Auswirkungen auf die traditionellen Formen der Landwirtschaft in der Region. Deren Existenz soll dadurch gestärkt werden, denn die traditionell betriebene Weidewirtschaft trägt zum Erhalt einer über lange Zeiträume gewachsenen Kulturlandschaft und damit zur regionalen Identität ihrer Bewohner bei – in einer Zeit zunehmender Entwurzelung ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Stabilisierung des ländlichen Raumes.

Interessant waren die Ausführungen von Karl-Heinz Funke – immerhin einer der begabtesten Redner unter den niedersächsischen Spitzenpolitikern – zur Landwirtschaftspolitik. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands mit Rindfleisch betrage 120 Prozent, man sei also auf den Export angewiesen. Die Preise für Rindfleisch bewegten sich auf niedrigem Niveau, da schon bei einem Selbstversorgungsgrad von 90% die Preise unter Druck gerieten und nach unten tendieren würden. Funke stellte den Grünlandbetrieben eine Prämie in Aussicht, um deren relativ umweltfreundliche Wirtschaftsform auch bei sinkendem Preis zu unterstützen. Man müsse aber auf die spezialisierten Betriebe mit Bullenmast Rücksicht nehmen. Diese finden sich z.B. in Südoldenburg.

Welche Art Landwirtschaft wollen wir?

Die Frage stellt sich, wie weit diese Rücksichtnahme gehen muß, denn offenbar bestehen auf dem Rindfleischsektor einige Überkapazitäten, und vielleicht bestehen diese Überkapazitäten genau in diesen Spezialbetrieben, wo die Bullen das ganze Jahr über angebunden im Stall stehen und mit Kraftfutter aus dem Futtermittelwerk gemästet werden, während die Weiderinder im Sommer das saftige Gras auf den Weiden fressen.

Die Verbraucher haben aber heute schon die Wahl. Sie können mitentscheiden, welche Art von Landwirtschaft sie in Zukunft wollen – vorausgesetzt, die Information darüber, wie und wo die Produkte erzeugt werden, gelangt auch an den Endverbraucher. Und genau dies ist eine Aufgabe der Regionalvermarktung.

Zum Abschluß noch ein Hinweis: Die Landwirtschaftskamnmer Weser-Ems hat ein aktuelles Anbieterverzeichnis "Kaufen auf dem Bauernhof in Weser-Ems" herausgegeben. Dort sind, nach Landkreisen geordnet, viele direktvermarktende Bauernhöfe in Oldenburg und Umzu mit ihren Erzeugnissen aufgelistet. Das Verzeichnis kann unter Tel. (0441)801-814 und 801-809 dort angefordert werden.

tog

 

 
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