Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/98      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Chipcard - die Freiheit nehmï ich dir

Willst Du in die Uni-Bibliothek, vergiß Deine Automatenkarte nicht. Ein genialer Streich ist einer Automatenfirma mit Hilfe des Student-inn-enwerkes Oldenburg SWO gelungen. Wer künftig in der Unibibliothek Kaffee trinken möchte, muß zunächst der Automatenfirma einen zinslosen Kredit von 10 DM abliefern. Mit der für diesen Pfand erworbenen Karte kann noch nichts erreicht werden. Sie muß noch mit 10 DM "aufgeladen" werden - ein weiteres zinsloses Darlehen! Bei diesen Beträgen wird der mit Sicherheit zurückgehende Umsatz weniger interessant. Denn in die Bibliothek müssen alle. In der Überschlagsrechnung macht das bei 10.000 Student-inn-en einen Kredit von 200.000 DM. Dazu kommen die Menschen von außerhalb der Uni, die auch die Bibliothek nutzen. Der Gesamtrahmen des Kredits wird sich im Bereich von 500.000 DM bewegen.

Der AStA befürchtet hierin den Einstieg in den ausschließlichen bargeldlosen Zahlungsverkehr und eine drohende vollständige Kontrolle aller Bewegungen in der Uni per "multifunktionalem Studiausweis" mit dem Höhepunkt in der Erstellung von "Bewegungsprofilen", passend zum großen Lauschangriff. Für weitere Informationen verweist der AStA auf den Chipkartenreader der Konferenz der Informatik Fachschaften KIF. Dieser ist im WorldWideWeb einsehbar: http:ÖÖwww.igd.fhg.de/ßkumpf/AKCK/Reader/html/Reader-h.html.

Bleibt zu bemerken, dasz die Geschäftsführung des SWO alle Schuld und Kenntis von sich gewiesen hat. Diese Sicht der Dinge widerspricht jedoch dem Kenntnisstand von AStA und STACHEL. So werden die Chipkarten in der Cafeteria des SWO verkauft, was nicht gerade für dessen Unkenntnis spricht. Der Vorstand des SWO allerdings wurde erstaunlicherweise über diese einschneidenden und weitreichenden Maßnahmen tatsächlich nicht in Kenntnis gesetzt.

Bleibt für mich die Devise: Kaffee? Einfach nicht trinken! Denn solchen Mißbrauch von temporären Monopolen mag ich nicht unterstützen. Und gesünder ist's auch.

Schöner neuer Orwell

Im folgenden noch ein Auszug aus einem Protokoll einer Uni-Arbeitsgruppe: "Zur leidigen Debatte um die Einführung der Chipkarte für Kaffeeautomaten: Entgegen der Aussage von Kiehm (Geschäftsführer vom SWO), die Einführung einer Chipkarte auch für die Cafeteria und die Mensa stehe nicht zur Diskussion, haben wir nebenbei von anderer Seite erfahren, daß es bereits eine vom Uni-Präsidium eingesetzte Kommission gibt, die die Einführung einer Chipkarte für die gesamte Universität prüft. An dieser Kommission beteiligt sich auch das Student-inn-enwerk. Wieder mal spannend zu beobachten, wer da von was keine Ahnung zu haben vorzutäuschen versucht."

Uni-Bremen

An der Uni Bremen soll bereits im Laufe des nächsten Jahres eine multifunktionale Chipkarte eingeführt werden, auf der das gesamte Studileben erfaßt werden wird.

Weil Studierende in Wirtschaftskreisen als flexible und innovationsfreudige KundInnen gelten, sind die Unis als Versuchsfeld für sogenannte multifunktionale Chipkarten auserkoren worden, deren Funktionen später in die Funktionspalette einer BürgerInnenkarte übernommen werden können. ... Sind die Folgen und Kontrollmöglichkeiten bei Einführung einer Unikarte schon undurchsichtig, so sind sie bei der BürgerInnenkarte unüberschaubar. Durch die elektronische Erfassung kann minutiös festgehalten werden, wer wo was wann macht. Es können z.B. über den Vergleich der Bewegungsmuster auf dem CAMPUS mit abendlichen Freizeitaktivitäten ganz genau ermittelt werden - schließlich ist vorgesehen, daß die gleiche Karte sowohlbeimEinchecken in Univeranstaltungen als auch an der Kinokasse genutzt wird.

Für die Entwicklung der Karten ist ein vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderter Städtewettbewerb unter dem Namen Media@Komm ausgeschrieben, der als Gewinn 20 Millionen DM Preisgeld und den Zuschlag für die Produktion der Chipkarten verspricht. Das bremische Konzept hat die Vorausentscheidung des Wettbewerbs überstanden, so daß weiter unter Geheimhaltung daran gearbeitet wird.

In der Uni heißt dies konkret, über alle allgemeinen Verwaltungsaufgaben hinaus sollen das Buchen von Veranstaltungen per Chipkarte, der Ausdruck von Scheinen und Belegbögen zum Nachweis der Semesterwochenstunden usw. im Endeffekt zur lückenlosen Dokumentation des Studienverlaufs - dem "Studienlogbuch" führen. Das klingt vielleicht zu sehr nach Horrorvisionen, als das man es für wahrscheinlich halten möchte. Die entsprechende Änderung des Bremischen Hochschulgesetzes ist bereits in Arbeit. In den Erläutrungen der neuen Lehramtsprüfungsordnung ist die Chipkarte bereits praktische Nachweismöglichkeit dargestellt.

Wenn sich daran noch was ändern soll, muß der Winterschlaf wohl beendet werden!

Gerold Korbus

Weitere Informationen und Quellen:

Kontakt zum Thema Chipkarte an der Uni Bremen:

Sven, Tel. 0421 218 3315

Plenumenal, Zeitung des AStA der Uni Bremen

WorldWideWeb:

KIF-Reader:

http://www.igd.fhg.de/ßkumpf/AKCK/Reader/html/Reader-h.html.

http://www.infosoc.informatik.uni-bremen.de/vr/media-komm/kurz.html

http://www.bremen.de/media-komm/

http://www.uni-trier.de/tunika/tunika.htm

 

 
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