Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/98      Seite 4
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Ökostrom für jeden - oder brauche ich jetzt eine neue Steckdose?

Die neuen Regeln im Strombusineß

Die Allmacht der EWE ist vorbei. So sagt es jedenfalls das Energiewirtschaftsgesetz in seiner Änderung vom April dieses Jahres. Hatte bisher der örtliche Stromversorger, bei uns eben die EWE, das exklusive Recht Elektrizität zu liefern, so könnte das jetzt jeder. Das heißt im einzelnen, daß sich jeder Haushalt in Oldenburg einen Stromlieferungen nach seinem Geschmack suchen könnte, wie verschiedene Nudeln im Regal zur Auswahl liegen. Doch vor die Freiheit der Wahl hat die Physik die Stromdurchleitung gelegt. Strom kann nicht gelagert werden und er muß über die vorhandenen Stromnetze geliefert werden. Nun könnten zwar neben den Leitungen der EWE neue einem anderen Besitzer gehörende Kabel verlegt werden, doch verbietet sich das meist aus Kostengründen.

Die alten Verhältnisse im Strombusineß

Wir sind also weiterhin an das Netz der EWE gebunden. Aus dem gesetzlichen Monopolisten EWE ist ein wirtschaftlicher Monopolist geworden. Die Autoren des Energiewirtschaftsgesetzes haben aber auch daran gedacht: sie schreiben vor, daß der Netzbesitzer allen Nachfragern ihr Netz zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen muß. Das ist so ähnlich wie der ehemalige Monopolist Bundespost/Deutsche Telecom jetzt auch allen Anbietern seine Fernsprechleitungen nutzen lassen muß. Beim Strom hat der Gesetzgeber jedoch vergessen eine Regulierungsbehörde wie beim Telefon zu gründen. Statt dessen haben die Großverbraucher und die Großerzeuger im Stromgeschäft auf die freiwillige sogenannte Verbändevereinbarung geschaffen. Mit dieser werden die Lieferkosten für z.B. Atomstrom sehr günstig und für Strom aus Windkraftanlagen sehr teuer.

Die neuen Wege im Strombusineß

Die Allmacht der EWE ist noch nicht ganz weg. Nichtsdestotrotz versucht die EWE sich frühzeitig an die neuen Marktgesetzlichkeiten anzupassen. Das macht sie in zweierlei Richtung: für die Großverbraucher senkt sie die Strompreise (zu 70% Atomstrom) und für die Ökos gründet sie die Tochterfirma EWE-Naturwatt GmbH, die Strom aus regenerativen Quellen liefern soll. Das zweiter Strom teurer ist als der erstere muß nicht weiter erwähnt werden. Dieses war auch der Anlaß für eine Podiumsdiskussion auf der Ökologa 98 an der neben Herrn Budde für die EWE, Ralf Bischof von der neugegründeten Naturstrom AG, Sven Teske von Greenpeace und Ingo Harms vom Oldenburg Energierat e.V. teilnahm.

Die neuen und die alten Akteure im Strombusineß

Zu den Teilnehmern im Einzelnen: die EWE-Naturwatt GmbH will Strom aus den von der EWE betriebenen Windkraftanlagen und den mit Mülldeponiegas betriebenen Motorkraftwerken an Kunen der EWE liefern und dafür ca. 6,5 Pf pro Kilowattstunde mehr als bisher in Rechnung stellen. Die möglichen Überschüsse sollen in neuen Anlagen investiert werden. Die Kunden der EWE können auf diesem Wege einen Teil oder ihren ganzen Strom aus den genannten Quellen decken lassen. Die anderen Kunden werden dadurch von deren Kosten entlastet. Die EWE Naturwatt GmbH ist eine 100 % Tochter der EWE AG. Zu deren Verhalten komme ich später. Die Naturstrom AG (NATAG) mit Sitz in Düsseldorf wurde Anfang dieses Jahres von Mitgliedern der in Deutschland bedeutenden Umweltschutzverbände und Energiewendegruppen gegründet. Deren Vertreter sitzen auch im Aufsichtsrat. Die NATAG will professionell mit Strom aus solchen Regnerativenergieanlagen handeln, die derzeit mit der gesetzlichen Vergütung nach dem Stromeinspeisegesetz (StromEinG) noch nicht wirtschaftlich sind. Sie betont damit das StromEinG nicht in Frage zu stellen, sondern ausschließlich Neuanlagen damit zu fördern. Derzeit sollen ca. 10.000 Leute bundesweit Interesse als Kunden gezeigt haben. Die Besitzanteile in Form von Aktien sollen breit gestreut werden (Modell: Volksaktien). Eine beherrschende Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Aktionärs wird per Satzung ausgeschlossen. Ralf Bischof ist übrigens zuvor beim Bundesverband Windenergie und bei Eurosolar gewesen. Greenpeace, allen bekannt, hat mit der Aktion Stromwechsel auf die weiterhin bestehenden Behinderungen für ökologisch vertretbaren Strom eine erfolgreiche Öffentlichkeitskampagne gemacht. Ingo Harms als Vorsitzender des Oldenburger Energierate e.V., der wie die anderen Umweltverbände seit Jahren die Geschäftspolitik der EWE scharf kritisiert, postulierte an Beispielen der Vergangenheit die Unglaubwürdigkeit der EWE-Tochter.

Die alte Stimmung im neuen Strombuisneß

Damit traf er auf Zustimmung der meisten der über 200 Zuhörer der Diskussion. Werner Altnickel von der lokalen Greenpeacegruppe zeigte mit sienen persönlichen Erfahrungen, daß die EWE sehr wohl diskriminirend bei der Durchleitung sei. So wollte sie von ihm für eine Strecke von 3 km fast 20 Pf pro kWh Durchleitungsgebühr haben. Andere Zuhörer kritisierten die EWE und deren Tochter an anderen Stellen. So fragte ein Windanlagenbetreiber, wie es vereinbar sei, hier als Förderer der Windenergie aufzutreten und zugleich die gesetzliche Vergütung nach dem StromEinG für und alle anderen privaten Betreiber nur noch vorbehaltlich zu zahlen. Damit und mit der Klage der EWE-Mutter gegen das StromEinG seien seine und die Existenz seiner Mitstreiter gefährdet. Die Frage, ob die EWE mit ihrem Konzept nur individuell und freiwillig Strom aus regenerativen Quellen zu liefern, die gesellschaftliche Aufgabe von Klimaschutz und Atomausstieg wieder zur Entscheidung des Einzelnen bewußt reduzieren will, wurde vom EWE-Vertreter nicht verstanden. Ralf Bischof betonte, daß die NATAG gerade die Umlage nach dem StromEinG ausgebaut sehen will und daß ihr Konzept im Gegensatz z.B. zu dem der EWE eine Einführung der kostendeckenden Vergütung darstelle. (Anm.: die Kostendeckende Vergütung für die Netzeinspeisung von Strom aus regenerativen Energiequellen (KV) ist eine der zentralen Forderungen aller Umweltverbände. Diese wird jedoch nur von wenigen Stadtwerken praktiziert und kann an der Küste von modernen Windkraftanlagen durch das StromEinG erreicht werden). Insgesamt mußte sich Herr Budde von der EWE an diesem Tag einer Front von Gegnern gegenübe sehen, die nicht nur das Konzept und die Muttergesellschaft kritisierten, sondern auch von Verbrauchertäuschung sprachen, schließlich werde nicht nur Strom verkauft, sondern auch die Idee einer zukunftsfähigen Energieversorgung.

Neue Vorlieben und alte Methoden im Strombusineß

Wie zur Bestätigung dieser Kritikwelle wählten die Besucher der Ökologa den Naturstrom der Naturstrom AG zum Ökolga-Produkt des Jahres und eben nicht das Konzept der EWE, das abgeschlagen auf einen der hinteren Plätze landete. Dessen unverdrossen haben wir alle in den meinungsbildenden Zeitungen und in unseren Briefkästen Anzeigen der EWE mit treuherzigsten Worten über das Gute ihrer Tochterfirma finden können. Es wird kommen können wie so oft: nicht die richtigen Argumente führen zur Entscheidung, sondern nur die lauten. Thomas Myslik


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