Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/98      Seite 1
 
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Studiengebühren beschlossen

Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) plant für das kommende Semester die Einführung von Verwaltungskostenbeiträgen von je 100 DM pro Studierenden je Semester. Bereits vor zwei Jahren sollten Einschreibegebühren in Niedersachsen eingeführt werden, scheiterten aber am Protest der Studierenden und vor allem an wahltaktischen Überlegungen der SPD Landtagsfraktion. Mit den gewonnen Landtags- und Bundestagswahlen schlägt die SPD nun erneut zu. Um die angeblich schwierige Finanzanlage des Landes zu lösen, sei es nun notwendig die Studierenden an den sogenannten Regiekosten, d.h. die Nutzung von Prüfungsamt, Immatrikulationsamt, zu beteiligen. Die Einführung von Verwaltungskostenbeiträgen ist aber keine sogenannte Sparmaßnahme, sondern sie stellt den politischen Willen dar, Studiengebühren einzuführen. Ist ein Verwaltungskostenbeitrag keine Studiengebühr ?

Der "Verwaltungskostenbeitrag" soll für die Nutzung der Immatrikulations- und Prüfungsämter erhoben werden. Bisher existiert eine ähnliche Abgabe wirksam nur in Berlin. In Baden-Württemberg wurde eine Rückmeldegebühr im Sommer vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim per einstweiliger Verfügung ausgesetzt, da die mit 100 DM in Rechnung gestellte Rückmeldung in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Verwaltungsaufwand steht. Die Aussetzung ist allerdings nur vorläufig, da sie endgültig vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden werden soll. Die in Berlin erhobene Abgabe allerdings ist weiterhin rechtsgültig, da die 100 DM nicht für, sondern bei der Rückmeldung von den Studierenden gezahlt werden müssen. Damit handelt es sich in Berlin nicht um eine Verwaltungsgebühr für die Rückmeldung, sondern tatsächlich um eine verkappte Studiengebühr. Mit dem Begriff "Verwaltungskostenbeitrag" versucht das MWK die unliebsame Klippe der juristischen und politischen Unwägbarkeiten zu umschiffen, da der Begriff "Studiengebühr" aufgrund sozialdemokratischer Wahlversprechen bei der Bundestagswahl nicht auftauchen soll. Die SPD hatte nämlich ursprünglich geplant, ein Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz festzuschreiben. Die neue Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (gleichzeitig Landesvorsitzende der SPD in Niedersachsen) ist aber davon bereits wieder abgerückt. Mittlerweile spricht Bulmahn nur noch von einem "Staatsvertrag" und deutet auch an, daß sie trotz anfänglicher Kritik einen Unterschied zwischen den niedersächsischen Verwaltungskostenbeiträgen und einer Studiengebühr erkennt. Fakt ist aber ,ob die Gebühr nun Verwaltungskostenbeitrag heißt oder nicht, daß die Studierenden an den Kosten der Hochschulen beteiligt werden. Damit sind auch die 100 DM Verwaltungskostenbeitrag politisch als Studiengebühr zu verstehen.

Es geht um mehr als 100 DM

Hinter der Einführung der sogenannten Verwaltungskostenbeiträge steckt mehr als "nur" 100 DM an barem Geld. Mit der Bezahlung von Bildungseinrichtungen wird Bildung zu einer Ware, die sich immer weniger leisten können. Das Prinzip der sozialen Selektion wird auf Kosten materiell benachteiligter Gruppen fortgesetzt. Das Hochschulstudium wird vor allem dann unbezahlbar, wenn es noch andere Einschränkungen in den Finanzierungsmöglichkeiten der Studierenden gibt. Ausländische Studierende sind davon ebenso betroffen wie z.B. studierende Mütter. Jegliche demokratische und emanzipatorischer Charakter geht den Hochschulen mit Studiengebühren verloren. Das ist auch das Ziel der gegenwärtigen Hochschulreform. Unlängst ließ Klaus Neuvians vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), mit dem das MWK eng zusammenarbeitet, wissen, daß die Hochschulen keine "demokratischen Einrichtungen" seien. Die Einführung von Studiengebühren steht seit langem auf der Wunschliste des CHE. Der geplante Verwaltungskostenbeitrag stellt daher nur den Einstieg dar. Zwar behauptet Wissenschaftsminister Oppermann (noch), das Studium bliebe "kostenfrei", die Nutzung von Prüfungs- und Immatrikulationsamt aber gehört wohl unwiderlegbar zum zentralen Bestandteil des Hochschulstudiums. Wenn zukünftig Studierende für die Nutzung von Prüfungs- und Immatrikulationsamt zahlen sollen, gibt es mittelfristig keinen Grund anzunehmen, daß andere Dienstleistungen der Universität bzw. das Studium kostenlos bleiben sollen.

Im Gegenteil: Mit der geplanten Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) sind grundlegende Änderungen in der Hochschulfinanzierung und -organisation der Hochschulen geplant. Das NHG soll laut Überlegungen des MWK von Grund auf neu geschrieben werden. Die Strukturen der Mittelzuweisungen des Landes an die Hochschulen bis zu den damit verbunden Leitungsstrukturen gelten als überholt und sollen vermeintlich effizienteren und marktwirtschaftlichen Prinzipien angepaßt werden. Mittels Globalhaushalt und Leitungsgremien, die Führungsebenen von Unternehmen angelehnt sind, sollen sich die Hochschulen und ihr Lehr- und Forschungsangebot an den Anforderungen der Wirtschaft orientieren. Studiengebühren sind nur ein weiterer Schritt, die Kosten für die Hochschulen für Unternehmen niedrig zu halten.

Widerstand jetzt organisieren!

Daher hat der AStA am 1. Dezember auf einer Vollversammlung eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um politisch gegen die geplanten Verwaltungskostenbeiträge vorzugehen und sich mit den anderen durch die sogenannten Sparbeschlüsse Betroffenen zu vernetzen. Sollte es der Landesregierung gelingen sich mit ihrem Vorhaben durchzusetzen und Studiengebühren den Weg zu ebnen, dann werden Bremen oder Hamburg und wahrscheinlich weitere Bundesländer schnell folgen. Niedersachsen ist kein Einzelfall. Daher heißt es: Jetzt Widerstand organisieren. Am 15.12. findet in Hannover eine Demonstration in Hannover gegen Bildungsklau und Sozialabbau statt (Karten sind im AStA erhältlich).

(Alexander Ring, Marc-Oliver Görres, Hochschulpolitisches Referat)

 

 
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