Oldenburger STACHEL      
   

Steine in den Weg gebaut

Uni verwandelt Zufahrt zu behindertenfeindlichem Zugang

Einen doppelt so langen und gefährlicheren Weg haben rollstuhlfahrende Studis und Eltern mit Kinderwagen vor sich, wenn sie vom Zebrastreifen an der Universität zur Bibliothek, Mensa oder Caferetia wollen. Die Bauverwaltung der Carl-von-Ossietzky-Universität baute drei Stufen in die bisherige Rampe ein, so daß die Betroffenen vorbei an den Ausfahrten der Fahrradstellplätze und dem Sporttrakt zum Zentralbereich fahren müssen - auch bei strömenden Regen oder Schnee und Glatteis.

Der neue Leiter des Baudezernats, Herr Wagenschein, begründet den Einbau der Stufen damit, daß bislang Radfahrer den Weg befahren und dadurch Fußgänger gefährdet hätten. Die Stufen und die parallel errichteten neuen Fahrradeinstellplätze sollen bewirken, daß Fahrradfahrer nicht mehr an das Gebäude heranfahren, sondern an den vorgesehenen Stellen parken.

Gehende übergehen oft

Angesprochen auf die Umwege, die für Behinderte entstanden sind, meinte Herr Wagenschein, man müsse abwägen zwischen der Gefährdung vieler und den Umständen, die wenige Rollstuhlfahrer in Kauf nehmen müßten. Er halte diese Universität im Vergleich zu anderen öffentlichen Gebäuden für wenig behindertenfeindlich.

Diese Aussage vermögen nur Menschen zu beurteilen, die nicht etwaige Hürden problemlos über-gehen können. Einige Beispiele deuten dieses an:

Während sich Gehende durch die gefährliche Drehtür zwischen Zentralbereich und Bibliothek schleusen, müssen Rollstuhlfahrende oft warten, bis ihnen die Zwischentür geöffnet wird, weil der Pförtner gerade woanders gebraucht wird und unterwegs ist. Die Umleitungsstrecke führt durch schwere Türen nach draußen über eine leider oft mit Fahrrädern zugeparkte Rampe zum Bibliothekseingang (Leute, muß das sein, könnt Ihr Eure Räder nicht woanders lassen?, d.S.).

Umständlich ist auch das Verlassen des Standorts Wechloy nach 19 Uhr, wenn nur noch der Hauptausgang mit Treppe nach draußen führt. Hier gibt es Berichte über unerfreuliche Erlebnisse.

Unerreichbare Seminarräume

Massiver noch ist das Problem, daß Veranstaltungen im Birkenweg, Deus-Gebäude, dem Software-Labor im neuen Offis-Gebäude oder anderen Räumen angeboten werden, die nur über Treppen erreicht werden können. In solchen Fällen muß der behinderte Studi beantragen, daß ein neuer Raum gefunden wird - bei Räumen mit benötigter technischer Ausstattung ist das kaum möglich.

In einer ähnlichen Situation sandte die Volkshochschule vor einigen Jahren einen Brief an ihre Kursteilnehmer, in dem es hieß: "Der Kurs mußte in ein anderes Gebäude verlegt werden, um einem Behinderten die Teilnahme zu ermöglichen." Sie machte damit das Opfer zum Täter und diskrimierte es gleichzeitig. Ursache war nicht der behinderte Kursteilnehmer, sondern die verfehlte Bauplanung.

Rückbau gefordert

Daß mit dem Einbau der drei Stufen nicht an Behinderte gedacht wurde, fanden auch die Studentischen Vertreterinnen im Senat der Uni, Hanna Naber und Susanne Jaap. Sie sind empört und sehen darin einen "Zwei-Klassen-Zugang" zur Universität. Auf der Sitzung am 4. Oktober beantragten sie, die Stufen noch vor Semesterbeginn zu entfernen und automatische Türöffner einzubauen. Des weiteren forderten sie, zukünftig die Behindertenbeauftragten der Studierenden und des Personals in die Planungen einzubeziehen und ihre Bedenken zu berücksichtigen.

Es kam jedoch nur zu einer zustimmenden Kenntnisnahme und nicht zur Abstimmung darüber. In den vorhergehenden Tagesordnungspunkten hatten sich die Gemüter so sehr erhitzt, daß sich die beiden Studentinnen keine Chance mehr auf eine sachliche Diskussion ausrechneten. Sie entschieden sich, den Antrag in der nächsten Sitzung diskutieren und abstimmen zu lassen.

Dann liegen ihnen womöglich auch die offiziellen Antworten auf ihre Anfragen an den Präsidenten vor. Darin fragen sie, wer für die Baumaßnahme verantwortlich ist und ob die Beauftragten für Behindertenfragen vorab in Kenntnis gesetzt, bzw. in die Planungen einbezogen worden sind.

Geher haben Vorgänger

Letzte Frage konnte uns Herr Wagenschein nicht beantworten, weil er sein Amt erst seit kurzem bekleide und sein Vor-Gänger die Treppe geplant habe.

Eine öffentliche Diskussion um das Radfahren auf dem Fußweg hat es in den letzten Jahren jedenfalls nicht gegeben. Doch vielleicht hätte hier ein Ideenwettbewerb eine behindertengerechte Lösung zu Tage gefördert.

Viele werden gehen und umgehen...

Abzuwarten bleibt, wie die Menschenmassen, die sich bald wieder jeden Mittag gen Mensa schieben, mit den Stufen fertig werden. Fahrräder wird es jedenfalls auch weiterhin oberhalb der Treppe geben, weil der Abstellplatz neben der Bibliothek anstatt direkt von der Straße aus nur von oben her erreichbar ist.

... einige werden vor Freude springen

Einer Gruppe von Menschen hingegen hat die Universität auf jeden Fall einen sehr großen Gefallen getan hat. Die Skateboarder können sich endlich über eine erstklassige Sprungschanze freuen, die denen für Ski-Springer nachempfunden ist und sogar eine abgängige Landebahn hat...

muh


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