Oldenburger STACHEL      
   

Beratung bald auf der Straße?

Stadt will keine Miete mehr für das Arbeitslosenzentrum zahlen

Da die Stadt die gesamte Warmmiete für das Arbeitslosenzentrum im nächsten Jahr streichen will, können wir in Zukunft Beratung nur noch auf der Straße machen. Deswegen haben wir am 1. 11. die Kaiserstraße abgesperrt und unsere Beratung von Arbeitslosen und SozialhilfebezieherInnen dorthin verlegt, wohin uns die Stadt setzen will. Über sechzig UnterstützerInnen der ALSO und Ratsuchende haben sich trotz Regen an dieser Aktion beteiligt.

Wir organisieren seit zwölf Jahren in den Räumen in der Kaiserstraße 19 Selbsthilfe, Beratung und Unterstützung für Arbeitslose. Die ALSO ist in dieser Zeit ein wichtiger Anlaufpunkt für alle geworden, die sich mit dem Problem Arbeitslosigkeit und Armut nicht alleine rumschlagen wollen. Monat für Monat finden 400 bis 500 Sozialberatungen statt. Die ALSO bietet vielfältige Aktivitäten und Angebote, u. a. das Arbeitslosenfrühstück und das Quox-Café, für die über 300 ALSO-Club-MitgliederInnen an. Die in der ALSO hergestellte Arbeitslosenzeitung ,Siesta" informiert über Rechtsfragen, sozialpolitische Entwicklungen und über Alltagsprobleme der Betroffenen.

Ohne öffentliche, finanzielle Unterstützung ist all diese Arbeit nicht möglich. Die Stadt hat deshalb seit einigen Jahren die Warmmiete für das Arbeitslosenzentrum und seit Mitte letzten Jahres zwei halbe Stellen für die ALSO finanziert. Für 1996 wären das zusammen 116000 Mark. Im Haushaltsansatz der Verwaltung sind davon nur noch 80000 Mark vorgesehen. Das heißt:

Die gesamte Warmmiete für das ALSO-Zentrum ist gestrichen!

Weil wir die Kosten für die Miete nicht aus eigenen Mitteln tragen können, wird die ALSO schließen müssen, wenn die Stadt ihre Förderung einstellt. In einer Stadt mit über 140000 Einwohnern, mit ca. 10000 SozialhilfebezieherInnen und 8000 Arbeitslosen, eingebettet in eine strukturschwache Region, soll es keine unabhängige Arbeitslosen- und Sozialberatung mehr geben!

Angesichts verschärfter Einschnitte ins soziale Netz, zynischer Schuldzuweisungen für die ökonomische Misere an die Adresse der Arbeitslosen, AusländerInnen, SozialhilfebezieherInnen im Rahmen von Mißbrauchskampagnen, Bewerbungszwang, AusländerInnen-Haß macht sich die Streichung der Miete für die Räume der ALSO wie ein schlechter Scherz aus.

Gegen diesen Scherz konnten wir daher am 1.11. um 11.11 Uhr mit unserer Protestaktion auf der Kaiserstraße ein erstes Signal setzen.

Alle von Armut und Arbeitslosigkeit Betroffenen sind aufgerufen, sich an den Diskussionen und Aktionen in der ALSO zu beteiligen. Die bundesweite Demonstration in Bonn am 4. 11. gegen die Sozialhilfereform, gegen die Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und gegen das neue Ausländerleistungsgesetz kann nur ein erster Schritt sein, um gegen die bislang einschneidendsten Sozialkürzungen einen wirksamen Widerstand zu organisieren.

Wer die ALSO unterstützen will, kann sich an einer Unterschriftenaktion beteiligen. Unterschriftenlisten liegen in der ALSO aus.

Wolf Herzberg, ALSO


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