Oldenburger STACHEL      
   

Ein Lob auf die KIBUM

Stoppt die Kinderfängerei durch Schleichwerbung

Bei uns hat die KIBUM Familientradition. Es gibt schöne Veranstaltungen, anregende Literatur, mensch trifft bekannte Gesichter und für Eltern gibt es das beruhigende Gefühl: Hier können die Kinder nach Herzenslust allein auf Entdeckungsreise gehen ohne massiven Verführungen oder ständig blitzendem "Kauf' mich, kauf' mich" ausgesetzt zu sein. Ein wichtiger Bestandteil der KIBUM war bisher die Hinführung der Kinder und Jugendlichen zum Umweltschutz. Eine deutliche Aussage hierzu war z.B. die Preisverleihung 1982 an Heinz Knappe für sein Buch über eine fiktive atomare Katastrophe "Bei Hamburg leichter Niederschlag". Auch dieses Jahr lag ein Schwerpunkt beim Umweltschutz. "Das Konzept einer nicht-kommerziellen, nicht-zensierten und kinderorientierten Messe hat sich einmal mehr bewährt", so Kulturdezernent Dr. Seeber.

Was heißt "nicht-kommerziell" ?

Leider scheinen diese Zeiten vorüber zu sein. Der Konzern EWE hat die KIBUM eingekauft. Hinter dem Begriff "Sponsoring" wird die Schleichwerbung (die normalerweise als verboten und verpönt gilt) getarnt und seitens der Stadtverwaltung wird massiv in die Medien gebracht, daß die KIBUM ohne Geldspritze sicher nicht "auf diesem Niveau" möglich wäre.

Doch viele hätten es schöner gefunden, wenn der von der EWE besetzte Raum beispielsweise SchülerInnengruppen zur Verfügung gestanden hätte, die in den vergangenen Jahren z.B. in Projektwochen an ihren Schulen so mannigfach zu Umweltschutzthemen und anderen für Kinder und Jugendliche relevanten Themen gearbeitet haben und auf passable Ergebnisse verweisen können.

Nicht nur Einbindung und Mitwirkung der Bevölkerung würde die KIBUM beleben. Wenn es auch sehr angenehm ist, zu kostenlosen Veranstaltungen gehen zu können: Würde die KIBUM 1,- DM für eine Dauerkarte an Eintritt verlangen, kämen bei 50.000 BesucherInnen einige Märker zusammen. Es müßte aber sichergestellt sein, daß die Preise in vertretbarem Rahmen bleiben und niemand zu Hause bleiben muß, weil das Geld nicht für den Eintritt reicht.

Es sollte die Buchmesse im Vordergrund stehen. Wichtig ist, daß die Kinder sich wohlfühlen und Anregungen bekommen. So etwas hängt nicht am Geld allein. Das Renomeé der Stadt, die mit der KIBUM wirbt für sich, sollte zweitrangig sein.

Was heißt "nicht-zensiert"? oder "Kritik unerwünscht"

Die Oldenburger Umweltverbände wollten in einer kleinen friedlichen und freundlichen Aktion mit Flugblättern und einem Transparent ihren Protest kundtun gegen die EWE-Präsenz auf der KIBUM. Dies wurde mit einem Hinweis auf das Hausrecht untersagt. Kommentar der anwesenden EWE-Mitarbeiter: "Sie ziehen diese Veranstaltung in den Dreck!" Gibt es einen schlüssigeren Beweis, daß die EWE die KIBUM bereits als ihr Eigentum ansieht? Die Umweltverbände hatten sich ausdrücklich FÜR die KIBUM ausgesprochen. Auf dem Transparent stand zu lesen: "EWE für Atomstrom" - "KIBUM für die Kinder" - also: "EWE raus aus der KIBUM".

Nicht nur, wenn's um's Geld geht: Ohne EWE wäre die KIBUM schöner!

Denn die "Stadt verzichtet auf Millionen-Einahmen" berichtete die NWZ bereits am 9.6.95 hinsichtlich der Knebelung der Stadt Oldenburg durch die Unterzeichnung des EWE-Konzessionierungsvertrages.

Während die Stadt millionenschwere Mindereinahmen zu verzeichnen hat, renommiert die EWE als gönnerhafter KIBUM-Sponsor. Sie winkt mit Geldern, die den Bürgern und Bürgerinnen dieser Stadt ohnehin gehören. Diese Gelder werden mit jedem verbrauchten Kubikmeter Gas und mit jeder verbrauchten Kilowattstunde Strom aus unserem Geldbeutel gezogen. Hätte nicht die derzeitige Mehrheit im Stadtparlament die Rechte für die Stromverteilung an die EWE verkauft, wären diese Gelder ohnehin (und noch viel mehr) direkt in das Stadtsäckel geflossen!

Ist die EWE umweltfreundlich?

Nur noch als fatal zu bezeichnen ist, daß die EWE auf der KIBUM das ihr zur Verfügung gestellte Forum nutzen konnte, um sich als umweltfreundlich zu bezeichnen. Schon die auf der KIBUM aufgestellte Behauptung, Windenergie sei umweltfreundlich, ist in Frage zu stellen. Auch Windkraftwerke "verbrauchen" Landschaft und Natur. Auch bei der Produktion von Windkraftwerken wird z.B. mengenweise CO2 freigesetzt. So ist Windenergie allenfalls (sehr deutlich) weniger umweltschädlich als andere Methoden der Energieerzeugung. Das macht die Nutzung der Windenergie nicht weniger sinnvoll, ist aber deutlicher Fingerzeig, daß Energiesparen der wichtigste wirkungsvolle Umweltschutz ist.

Auf der KIBUM allerdings stellte die EWE sich gerade hinsichtlich der ihr eigenen Windenergieanlagen als umweltfreundlich dar. Warum die EWE meint, wegen des Eigentums von lediglich 31 Anlagen besonders umweltfreundlich zu sein, wird ein ewiges Rätsel bleiben. EWE-Jahresbericht 1994: 31 EWE-Anlagen standen 400 "Privatanlagen" gegenüber. Der installierten EWE-Wind-Leistung von 10,2 MW stehen 110 MW "Privat" gegenüber. 1995 installierte die EWE keine neuen Windräder, während etliche "Private" in Betrieb genommen wurden. Die EWE ist der einzige Stromkonzern der Region! Das macht das Ganze so fatal. Tatsächlich bekämpft die EWE die Nutzung der Windenergie bei jeder sich ihr bietenden Gelegenheit. Private Windradbetreiber wissen hiervon schon hinsichtlich der viel zu hohen Anschlußtarife ihr Liedchen zu singen.

Andererseits ist die EWE Untergesellschaft der PreussenElektra, einem Atomkonzern. Auch die EWE verkauft im wesentlichen Atomstrom. Wird sie hierzu befragt, gibt sie sich ungewohnt hilflos - es würde durch die EWE lediglich Strom verteilt werden, auf die Art und Weise der Produktion hätte niemand einen Einfluß.

Diese Sachverhalte werden von den politisch Verantwortlichen der Stadt geduldet und gefördert (z.B. durch den Konzessionsvertrag). Sie lassen es zu, daß in unverantwortlicher Weise zwei Drittel der in Oldenburg verwendeten Energie sinnlos vergeudet werden. Die Folgen der Verschwendung: Umweltzerstörung, Klimagefährdung, Radioaktivität, Krankheiten usw. usw. (vgl. Oldenburger Energiegutachten).

EWE-Volltreffer: Energiesparen durch Preissenkung?

Wir haben noch das Jammern im Gedächtnis: Die Einspeisevergütungen für alternative Energieerzeugung seien so hoch, daß die Strompreise erhöht werden müßten. Wenn die EWE so umweltfreundlich ist, wie sie sich auf der KIBUM gab, warum wird dann nicht wenigstens zum Teil der sich jetzt ergebende Preisvorteil dafür verwendet, um die weniger umweltschädliche Energieerzeugung durch regenerative Energiequellen lukrativer zu machen? Die Erfahrung zeigt jedenfalls, daß niedrige Preise zum Energieverbrauch geradezu einladen - wir verheizen und verleuchten die Zukunft unserer Kinder!

Altlasten von Nazi-Deutschland

Die Monopole der Stromkonzerne sind ohnehin nur möglich, weil ihnen durch das Reichs-Energie-Wirtschaftsgesetz von Dezember 1935 vor 60 Jahren hierzu die gesetzliche Möglichkeit eingeräumt wurde. Die Konzerne haben immer mehr Einfluß darauf, daß dieses Gesetz nicht verschwindet: Die Stromkartelle bedrohen die Demokratie (Spiegel Nr. 47/1995, S. 76). Doch wo die politisch Verantwortlichen Gelegenheit haben, zum Nutzen der Stadt zu handeln, eilen sie, neue Knebelverträge abzuschließen. Immerhin wird deutlich, wo das Geld bleibt. Es blieb genügend Brosamen für den KIBUM-Schachzug.

Selbstverständlichkeiten?

Es ist nicht für selbstverständlich, daß die politischen Entscheidungsträger "energiepolitisch unklug handeln" (vergleiche Oldenburger Sonntagszeitung vom 11.6.95) und Stadtrechte an Monopolkonzerne verschachern. Gerade weil hierdurch das Stadtsäckel erheblich um Einnahmen geprellt wurde und wird, muß der "legalen Korruption" (Reimut Jochimsen, ehem. Wirtschaftsminister NRW) Einhalt endlich geboten werden. Die EWE steht für den Treibhauseffekt und den Verkauf der Zukunft unserer Kinder. Gerade sie hat auf der KIBUM nichts zu suchen.

Schluß mit der Schleichwerbung und Kinderfängerei von EWE & Ko auf der KIBUM und anderswo!

Gerold Korbus

ps. Der Aktualität halber: Statt McBlöd beim Weihnachtspaß für Schnellfutter werben zu lassen, ist es doch wohl sinnvoller, die Kids auf die Folgen einseitiger Ernährung und allzu üppiger Weihnachtsschlemmerei hinzuweisen.


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