Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/98      Seite 8
 
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Zum Kurzbericht "Keine Umleitung der Buslinie 8!"

erreichte uns folgender Leserbrief

Im letzten Stachel wurde über Anwohner geschrieben, die die Beibehaltung der jetzigen Linie 8 fordern. Zunächst einmal begrüße ich es, daß der Bus dort fahren soll, wo Menschen wohnen, die ihn auch nutzen können. Erstens werden die Wege kürzer und zweitens gibt es einen Werbeeffekt für die Nutzung des Busses, denn nur etwas, was präsent ist, bringt Menschen auf die Idee, es auch zu benutzen. Was zur Attraktivitätssteigerung der Busse noch fehlt, sind freundliche Busfahrer (nur sehr wenige sind freundlich, die dann aber sehr) und viele Kleinigkeiten, mit denen man bei der VWG grundsätzlich auf taube Ohren stößt.

Wenn die Kinder am Friedrich-August-Platz so gut spielen können, finde ich es toll, ich war auch mal Kind. Doch die im Stachel wiedergegebene Argumentation der Anwohner, die den Bus nicht wollen, weil er eine große Gefahr für die Kinder darstelle, kommt mir etwas seltsam vor.

Zum Beispiel vermisse ich in dem Artikel eine Begründung dafür, weshalb der Bus für die Kinder eine größere Gefahr darstellen soll als Privatautos. Busse sehen gewaltiger aus, aber das macht sie nicht unbedingt gefährlicher. Eine andere Frage wäre die nach dem Fahrstil der Busfahrer, aber darin unterscheiden sie sich auch nicht unbedingt von normalen Autofahrern. Wäre eine Forderung zum Schutze der Kinder nicht die, den Autoverkehr in allen Straßen, wo Menschen und Kinder wohnen, zu verringern? Oder fahren manche der betroffenen Anwohner selbst Auto? Gefährden sie damit keine Kinder und zerstören damit ihre zukünftige Lebenswelt?

Beim Lesen fühlte ich mich an das "Schulkindparadoxon" erinnert, daß ich jeden Morgen an einer Grundschule erlebe. Viele Eltern haben wegen des Autoverkehrs auf dem Schulweg große Angst um die Sicherheit ihrer Kinder. Diejenigen, die die meiste Angst haben, bringen ihre eigenen Kinder dorthin im "sicheren" Auto. Die "Sicherheit" des einen ist die Unsicherheit des anderen. Sie erhöhen also den Autoverkehr noch mehr und setzen damit die anderen Kinder (fremder Eltern) einer erhöhten Gefahr aus. Ihnen ist es also völlig egal, ob auch die anderen Kinder (und Freunde der eigenen) dort wohlbehalten ankommen. Wäre es nicht konsequenter, würden diese Eltern nicht ihre Kinder mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule zu bringen?

Mit der Idee des Seniorentaxi werden m.E. einmal wieder die Interessen der alten Menschen mißachtet. Sie werden von unserer Gesellschaft nur allzuoft vergessen: Viele verbringen jeden Tag ganz alleine in ihrer Wohnung (man probiere einmal aus, nur drei Tage alleine zuhause zu verbringen und keinen Menschen zu treffen), werden in Alten- und Pflegeheime abgeschoben, weil sich keiner um sie kümmern will... fragen Sie bei Ihrer nächsten Sozialstation. (Das wäre auch einmal ein Artikel wert.)

Des weiteren, das sagt der Name "Omnibus", ist ein Bus für alle Menschen da, und nicht nur für alte Menschen. Weshalb fahren also nicht alle damit? Weshalb war, wie die Anwohner sagen, die alte Ziegelhoflinie denn so wenig frequentiert? Vielleicht, weil alle unter 60 lieber mit dem eigenen Auto fremde Kinder gefährden, weil es bequemer ist?

Im Text wird beiläufig erwähnt, die Straßen müßten für den Bus verbreitert werden. Aha, damit kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache. Elsässer Straße und Melkbrink sind breit genug, die Wardenburger nach Ansicht der Stadt nicht. Deswegen, will sie den Bus durchschicken, um die Verbreiterung der Straße politisch durchzusetzen. Die Anwohner protestieren dann und gehen zum Verkehrsausschuß und bekommen ein Kabarettstück mit freiem Eintritt geboten. Dort stellt die Stadt ihre Planungen vor, wie unvollständig, mag dahingestellt bleiben. Zwischendurch zieht sie möglicherweise das ÖPNV-Gutachten aus der Tasche, worin nämlich die neue Linie 8 als Vorschlag bereits seit vier Jahren eingezeichnet ist - berichtete der Stachel nicht darüber? Nicht beantworten läßt sich wohl die Frage, ob einige Linien, die im ÖPNV-Gutachten eingezeichnet sind, nicht sogar absichtlich durch Straßen geführt wurden, wo sich die Stadt eine Verbreiterung wünscht... Das schlagende Argument kommt dann jedenfalls zum Schluß des Tagesordnungspunktes und wird - laut Drehbuch - wie immer von der VWG vorgebracht werden: "Es können sich keine zwei Busse in der Straße begegnen." (Es ist sehr zweifelhaft, ob sie das denn wirklich müssen.) Der Punkt ist abgehandet, die Betroffenen verlassen den Raum und der Ausschuß kann weitere - manchmal noch brisantere - Themen behandeln. Das Ende vom Lied ist die Verbreiterung, sofern die Anwohner sich nicht irgendwelche einflußreichen Politiker ins Boot geholt haben, die ihre Fraktion umgestimmt haben. Die betroffenen Anwohner, die sich im letzten Stachel zu Wort meldeten, müssen den Straßenausbau bezahlen. Weshalb steht das nicht im Text? Verkaufen sich Kinder besser?

Das Problem ist in meinen Augen nicht der Bus als öffentliches Verkehrsmittel, das dort fahren soll, wo Menschen wohnen, sondern der Bus als politisches Mittel eine autofreundliche und menschenfeindliche Welt zu schaffen.

Michael


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