Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/98      Seite 5
 
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Arbeitsplätze durch Ökosteuern?

Stellungnahme zu "Die spinnen, die Grünen! Was an "Ökosteuern" vernünftig ist" in Stachel 4/98

Gleich vorweg: Ich bin für die Einführung einer Ökosteuer. Firmen, die verschwenderisch mit Energie umgehen, sollen - nach einer Übergangsfrist - mit höheren Steuern "bestraft" werden, Unternehmen, die wenig Energie verbrauchen, sollen dagegen mit einer geringeren Steuerlast "belohnt" werden. Ich halte dies für einen guten Weg, der Klimakatastrohe entgegenzuwirken. Es kann auch sinnvoll sein, kleinen Betrieben mit relativ vielen Arbeitskräften durch eine Bezuschussung der "Lohnnebenkosten" unter die Arme zu greifen. Ihre Rationalisierungsmöglic hkeiten sind geringer als die großer Konzerne, auch können sie nicht wie diese in "Niedriglohnländer" ausweichen und arbeitsintensive Produktionen auslagern. So kann vielleicht die eine oder andere Pleite verhindert und die eine oder andere Schwarzarbeit in abgabenpflichtiger Lohnarbeit durchgeführt werden.

Auch ist es vielleicht möglich, so den Markt für energiesparende Maschinen zu fördern und auf diese Weise einige weitere Arbeitsplätze mit zukunftsträchtigen Tätigkeiten entstehen zu lassen.

Hiermit ist aber meiner Ansicht nach der arbeitsplatzschaffende Effekt einer Ökosteuer ausgereizt. Den weiteren Rückgang an Arbeitsplätzen in unserer Industriegesellscha ft wird die Ökosteuer nicht aufhalten, geschweige denn, daß sie zu Hunderttausenden neuer Arbeitsplätze führen könnte. Das Szenario, das tog im letzten Stachel ausmalte, halte ich höchstens dafür geeignet, falsche Hoffnungen zu wecken und so die gute Idee "Ökosteuer" in Mißkredit zu bringen. Tog erwartet nach der Einführung einer Ökosteuer folgende Resultate: "Insgesamt würde das jährliche Steueraufkommen von 9 Milliarden im ersten auf 120 Milliarden Mark im zehnten Jahr ansteigen. Durch die damit einhergehende Senkung der direkten Steuern und Lohnnebenkosten könnten 0,6 bis 1,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen..."

Keine Ursache!

Die Grundvoraussetzung für diese Prognose ist folgende Annahme: "... Massenarbeitslosigkeit . Solange deren Ursachen nicht beseitigt sind, wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich nicht bessern. Und die liegen nun einmal, wie das CDU-Wahlprogramm aus der Feder von Wolfgang Schäuble richtig feststellt, darin begründet, daß bei uns "gerade das besonders teuer ist" ist, "wovon wir gegenwärtig im Überfluß haben: Arbeit." (tog in Stachel 4/98)

Auch wenn dieses Unternehmerverbände seit Jahrzehnten so behaupten und Parteien es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Behauptungen nachzuplappern, wird es nicht wahrer - es sind interessegeleitete Aussagen, die die Realitäten nicht wahrhaben wollen. Und die sind unbestritten so: Die durchschnittliche Rentabilität der Firmen ist seit drei Jahren so hoch wie zu Zeiten der Vollbeschäftigung Anfang der siebziger Jahre. Der Anteil der ArbeitnehmerInnen am Volkseinkommen, die Lohnquote, ist dagegen auf dem niedrigsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik angelangt. Die Nettolohn- und Gehaltssumme schrumpfte 1997 in Westdeutschland preisbereinigt um 2,2 Prozent. Seit 1980 ist der Bruttolohn real um 19 Prozent hinter der Entwicklung der Produktivität zurückgeblieben . Die Lohnstückkosten gingen 1997 in der BRD um 1,7 Prozent zurück. Seit Jahren sind übertarifliche Zulagen immer weiter gestrichen worden. Sicherten bisher die Tarifverträge das untere Ende der realen Lohnskala, so markieren sie heute das Maximum. Weitverbreitete (legale) Leiharbeit, Scheinselbständigkeiten und Teilzeitarbeitsve rhältnisse, der Austritt von immer mehr Firmen aus den Unternehmerverbände n kratzen inzwischen an den Tarifverträgen selber, zu ihrem (ungesetzlichen) Bruch wird offen aufgerufen. Der weitgehend erfolglose Kampf für einen Mindestlohn von brutto 15 DM im Baugewerbe zeigt, wie weit die Löhne in einigen Branchen bereits gesunken sind. Und dieser Prozeß geht unaufhaltsam weiter, zu groß ist der Druck, der vom Arbeitslosenheer und von der Konkurrenz ausgeübt wird. Die Einführung des Euro wird diese Entwicklung europaweit beschleunigen.

Mehr Gewinne - mehr Entlassungen

Die z.T. hohen Gewinne investierten die Unternehmen in der Regel nicht in die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern in Rationalisierungen oder den Kauf anderer Firmen. Eine weitere Senkung der Arbeitskosten wird daran nichts ändern. So tief können die Löhne und Gehälter gar nicht sinken, daß sich z.B. im Banken-, Fernmeldebereich oder im Handel die Einführung weiterer Computertechnologie nicht lohnen würde. Die menschenleere "24-Stunden-Bank" oder das Einkaufen per Internet, die Auslagerung von Arbeitsplätzen an den häuslichen PC, das computergesteuerte und -sortierte Lager ohne Lagerarbeiter, dies und vieles andere wird auch mit einer Ökosteuer kommen. Experten sagen für den Dienstleistungsbereich den Wegfall von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen in den nächsten Jahren voraus, wenn sich in Deutschland der Standard durchsetzt, der bereits in den USA üblich ist. Andererseits macht es z.B. für Autofirmen keinen Sinn, noch mehr Arbeitsplätze und damit Überkapazitäten zu schaffen, wenn der Markt bereits übervoll ist. Der Produktivitätsfortschritt ist einfach zu schnell, der Industriegesellschaft geht weltweit die Lohnarbeit aus.

Kapitalsteuern oder...

Und das "Beschäftigungswunder" in den USA? Neoliberale Trommler, besonders aus den Reihen der FDP, aber durchaus auch in allen anderen Parteien, behaupten, die Senkung der angeblichen Steuer- und Abgabenlast würde solch ein Wunder hervorbringen. Auch tog spricht sich in Stachel 4/98 dafür aus, die Einnahmen aus der Ökosteuer für die Senkung der Einkommens- und Körperschaftssteuer zu verwenden. Doch tog ist offensichtlich entgangen, daß die CDU/FDP-Regierung in den letzten Jahren legale Steuerschlupflöcher geschaffen und Steuersenkungen in dem Maß beschlossen hat, daß die Steuerzahlungen der Firmen bereits drastisch zurückgegangen sind: Die Gewinnsteuern sanken seit 1882 von 35 auf 20 Prozent. Zu neuen Arbeitsplätzen hat das nicht geführt. Dagegen verfügte die Clinton-Regierung Steuererhöhungen, die zur Sanierung der öffentlichen Finanzen beitrugen und den Staat wieder handlungsfähig machten: In den USA werden Kapitalerträge, also auch Zinsen auf Mittel, die für Investitionen bereitstehen, im Durchschnitt mit 40 Prozent besteuert, in Deutschland im Schnitt mit 26 Prozent. Dies sind Zahlen der OECD für die Jahre 1985 bis 1994. Nach Recherchen eines Mannheimer Steuerprofessors zahlen international tätige deutsche Konzerne nur die Hälfte der offiziellen Steuerhöchstquote. Die effektive Steuerlastquote der im DAX zusammengefaßten Werte von 30 Firmen liege sogar nur bei 35 Prozent der offiziellen Steuerquote. Haben diese Firmen eine deutsche Konzernmutter, zahlen sie nur 28 Prozent.

... Massenarmut

Will man Lohnabhängige und Firmen in größerem Maße von Sozialabgaben entlasten und diese durch Steuer finanzieren, so bleibt kein anderer Weg, als Kapitalerträge weitaus höher zu besteuern. Auch die immer geringere Zahl an Arbeitsplätzen läßt keinen anderen Ausweg zu, um die Staatsfinanzen aus dem Minus zu bringen. Die Alternative wäre nur eine weitgehende Streichung der gesetzlichen Alters- und Krankheitsvorsorge sowie der Sozialhilfe; Alter, Krankheit und Armut sind in Großbritannien und den USA zum großen Teil "privates Risiko". Ein Vorbild für uns kann dieser Weg trotzdem nicht sein. 12 Millionen Briten drohen im nächsten Jahrhundert Renten, die unter der Armutsgrenze liegen. Die völlige Entmachtung der Gewerkschaften hat viele Löhne derart gedrückt, daß heute schon 14 Millionen Briten in Armut leben. Sie tauchen in den Arbeitslosenstatistiken z. T. gar nicht mehr auf, weil sie oft keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben und sich gar nicht mehr bei den Arbeitsämtern melden. Das "Beschäftigungswunder" in den USA wiederum findet zum großen Teil in Bereichen statt, wo der Stundenlohn von sechs Dollar keine Seltenheit ist. Mehrfachjobs und Armut trotz Arbeit sind deshalb keine Seltenheit.

Andere Alternativen notwendig

Es wird Zeit, daß die Industriegesellschaft - und mit ihr die Grünen - über neue Formen der Arbeit und über neue Wege nachdenkt, ein Grundeinkommen für die Menschen zu sichern. Das kann nur zu Lösungen führen, wenn die bisherige Verteilung von Gewinnen, Einkommen und materielllem Reichtum kein Tabu bleibt. Gelingt das nicht, bleibt es bei dem neoliberalen Königsweg des unbeschränkten Marktes und der unbeschränkten Gewinne, dann werden Wahlergebnisse von 13 Prozent für die DVU in Sachsen-Anhalt und von 17 Prozent für die Reps im Wilhelmshavener Stadtteil Bant nur das Wetterleuchten einer neuerlichen gesellschaftlichen Katastrophe sein.

achim


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